Es geht doch, liebe SPD

Wie ich schon in „#3 Neue Bahnen für Hamburg“ schrieb, ist dem Senat ja durchaus bewusst, dass  die Verkehrsanbindung bzw. -erschließung für die Quartiersentwicklung von großer Bedeutung ist. Wieso er bei Wilhelmsburg aber rein nachfrage- statt angebotsorientiert argumentiert, erschließt sich mir nicht. Nun habe ich einen weiteren Artikel gefunden, in welchem man diese Erkenntnis — wie schon bei der Hafencity — auch wieder präsentiert.

Anleihen nehmen die Autoren des Diskussionspapiers bei der Idee von Hamburgs berühmtem Oberbaudirektor Fritz Schumacher, die Stadt entlang der in die Region hinausführenden Schienenstränge wachsen zu lassen. Auf zwei Karten, die von heute an im Internet unter http://www.hamburg.de veröffentlicht werden, ist dieser Gedanke sehr gut zu erkennen. Dahinter steht der Gedanke, dass eine komfortable Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz über U- oder S-Bahn eine absolute Voraussetzung dafür ist, dass Menschen Neubauflächen annehmen.

Quelle: http://mobil.abendblatt.de/hamburg/article127894922/Konzept-Stadt-in-der-Stadt-Mietshaeuser-werden-aufgestockt.html?cid=hamburg-eimsbuettel

Die erwähnte (sehenswerte!) Karte gibt es hier: http://www.hamburg.de/contentblob/4309812/data/broschuere-perspektiven.pdf

Und das stimmt soweit. Zumindest ist mir kein Stadtplaner oder Verkehrsingenieur je begegnet, der einer anderen Auffassung war. Es bleibt jedoch die Frage, wieso der Senat zum einen bereits erschlossene Areale weniger forciert, und zum anderen beim Bestand, der weiterentwickelt werden soll, dieses Argument nicht gelten lässt. In Wilhelmsburg leben mittlerweile über 50.000 Menschen und der Siedlungsschwerpunkt liegt am Reiherstieg bzw. zwischen Aßmann- und Veringkanal. Und was macht die Politik — die schwarzgeführten Senate selbstverständlich eingeschlossen — dort? Sie baut keine U4 ins Reiherstiegviertel, keine Stadtbahn durch Georgswerder, Alt-Kirchdorf und Kirchdorf Süd, sondern verbaut die geographische Mitte, die hingegen eine Schienenanbindung hat, mit dem Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU). Der ist ja auch chic und die Verlagerung nach Wilhelmsburg halte ich auch für ein wichtiges Signal, aber wieso ausgerechnet dort? Jeder weiß doch, wie es in Verwaltungsvierteln aussieht: Sie sind tot. Morgens kommen die Autos, die Angestellten und Beamten gehen rein, fahren abends wieder weg und am Wochenende ist da sowieso tote Hose. Das fällt ja selbst in der Innenstadt auf, wo es viele weitere Raumnutzungen gibt um die Verwaltungsgebäude herum. Und was kommt hingegen nach dem BSU-Neubau? Einige Gewerbegebiete und irgendwann Schrebergärten. Das Behördengebäude hätte man genau so gut auf den Gärten östlich der Georg-Wilhelm-Straße bzw. südlich der Straße „Bei der Wollkämmerei“ bauen können. Und stattdessen eine urbane Blockrandbebauung mit großen Innenhöfen und einem kleinen Stadtpark um die S Wilhelmsburg herum. Oder zumindest die Hafencity-Universität (HCU) und einige Studentenwohnheime dort ansiedeln.

Die einst überlegte Fusion der HCU mit der TU Harburg und (jedenfalls medial erwähnten) HAW Hamburg klang ja auch sehr nett, ganz gleich ob man das Kind nun „Norddeutsche Technische Universität (NTU)“, „Hanseatische Technische Hochschule (HTH)“ oder sonstwie nennt; z.B. mit einer angeschlossenen „Fritz-Schumacher-Fakultät für Baukunst und Raumentwicklung“, in der die HCU aufgehen könnte. Das Ding hätte, bei Beibehalt aktueller Zahlen, dann zu Beginn 22.000 Studenten und ca. 210 Mio. Euro inkl. Drittmitteln, also ca. 9.500 Euro pro Studenten. Aber man braucht ja unbedingt unbekannte, unterfinanzierte, junge/neue Hochschulen ohne Tradition in jedem Viertel; insb. der Hafencity, wo auch im Osten kaum ein Student leben wird. Bloß keine Konkurrenz zu anderen TUs aufbauen, wie z.B. in Dresden (37.000 Studenten / 530 Mio. Euro = 14.500 Euro pro Studenten), Aachen (40.000 / 1,1 Mrd. = 27.500), Berlin (32.000 / 460 Mio. = 14.500), Darmstadt (25.000 / 400 Mio. = 16.000), Karlsruhe (25.000 / 780 Mio. = 31.000) oder gar München (36.000 / 1,2 Mrd. = 33.500). Von Zürich (18.000 / 1,2 Mrd. = 66.500), Delft (17.000 / 860 Mio. = 50.500) und Kopenhagen (8.000 / 500 Mio. = 62.500) mit ihren finanziellen Ausstattungen redet man lieber erst gar nicht am „Wissenschaftsstandort Hamburg“. Und klar, nun wird wohl berechtigt eingebracht, dass die simple Rechnung aufgrund von An-Instituten bzw. Forschungsleistung sowie Drittmitteln nur bedingt aussagekräftig zur Qualität von Forschung und Lehre ist bzw. einem Vergleich der Hochschulfinanzierungen, aber man erhält eine grobe Größenordnung. Wie auch immer, nun ist es, zumindest für das ursprüngliche Thema BSU-Bau und Mitte Wilhelmsburg, eh zu spät und nachträgliches Gejammer bringt niemandem etwas. Also lieber nach vorne schauen.

Aber auch andere Gebiete bleiben da relativ unberührt, obwohl sie Wohnungsbau-Potential haben, wie zum Beispiel zwischen den S-Bahn-Stationen Billwerder-Moorfleet, Mittlerer Landweg und Allermöhe. Keine zehn Minuten fährt man in die Innenstadt, aber darf sich dort gespritzte Monokulturen bzw. landwirtschaftlich genutzte Felder anschauen. Und nun konnte man heute lesen, dass auf dem Kleinen Grasbrook möglicherweise mal ein Olympiadorf gebaut wird. Aber vielleicht sorgt das ja für den Anstoß, die U4 gen Süden zu verlängern. Zumindest wurde diese Möglichkeit schon genannt:

Auf der 110 Hektar großen Elbinsel könnten im Anschluss an die Spiele mindestens 6000 neue Wohnungen entstehen, Büroräume und ein weiteres Kreuzfahrtterminal. Mit dem neuen Stadtteil würde der seit Jahrzehnten von der Politik geforderte Sprung über die Elbe vollzogen, Hamburg würde als Stadt endgültig zusammenwachsen. Die U-Bahn-Linie 4 soll auf ihrer Trasse vom Jungfernstieg über die HafenCity nach Wilhelmsburg dann auf dem Kleinen Grasbrook Station machen. Von einer S-Bahn-Haltestelle an den Elbbrücken könnten die Besucher in den Olympiapark gelangen. 

Quelle: http://mobil.abendblatt.de/hamburg/article128323395/Hamburg-plant-fuer-Olympia-neuen-Stadtteil-auf-Elbinsel.html

Man darf gespannt sein. Das Thema Olympia ist ja eh so ein Fall für sich. Vielleicht gibt’s dazu was von mir demnächst. Interessant ist ja auch die Idee Kopenhagens gemeinsamer Spiele. Das geben wohl die Statuten des Olympiakomitees derzeit nicht her, aber dieser bürokratische Akt sollte nun auch kein Ding der Unmöglichkeit sein. Die Feste Fehmarnbeltquerung hingegen …